Amoklauf von München. Wenn einem nichts mehr einfällt, dann muss ein Schuldiger her. Ach, wenn die Welt doch so einfach wäre.
Kleiner Abriss von Medienformaten die an Sex, Gewalt, Teufel, Unmoral „schuld“ waren: die griechische Tragödie im Theater, der Roman, die Fotografie, der Spielfilm, die Musik wie Elvis / Beatles / Soul / Disco / Heavy Metal, das Videospiel, das Internet.
– gamersglobal.de/innenminister-fordert-nach-der-tat-von-muenchen-staerkere-debatte-ueber-killerspiele
– gamersglobal.de/langer-laestert-killerspiele-sie-sind-wieder-da
– spiegel.de/killerspiel-debatte-einfach-mal-durchatmen
– gamersglobal.de/game-bundesverband-fordert-sachliche-diskussion-ueber-gewalthaltige-spiele
– 4players.de/Wir_brauchen_keine_Killerspiel-Diskussion
Ein Junger Mensch rastet aus und tötet Menschen, er redet von jahrelangem Mobbing.
Wovon redet der Herr Innenminister? Killerspiele… Ich weiß garnicht was mir jetzt groß
dazu einfallen soll. Mobbing ist nichts weiter als Körperverletzung, aber eine ganz besondere
Art, sie hinterlässt keine klaffenden Wunden, Narben, Blaue Flecken, sondern nur stilles Leid.
Wer sowas herunterredet ist einfach ein empathieloses Arschloch, mir fällt einfach
kein anderer Begriff ein, tut mir leid.
Irgendwie kommt diese debatte immer wieder
wenn es im ernst so wäre würde es 40x soviele amokläufer geben ganz ehrlich
und was ist mit der serie spartacus ? oder game of thrones ? gibts im freien tv da gibts auch nur blut und gemetzel
Mobbing ist eine psychische Extremsituation, an der manche zerbrechen. Aber das ist halt
der Punkt. Da wo andere eher Selbstmord begehen, hat sich bei dem (späteren) Amokläufer
zuviel Wut angestaut, und der Wunsch Rache zu nehmen. Ob an Einzelpersonen, oder
Konstrukten wie die Gesellschaft, der Jugend etc., denen man (mitunter wahrscheinlich manchmal zu Recht)
die Schuld an der eigenen Situation gibt. Das Problem ist aber, die Selbstmörder
interessieren einen Politiker überhaupt nicht, und dann wird der Problemkern verschoben.
Plötzlich wird wichtiger was der Täter in seiner Freizeit tat, als wie wie mit ihm
umgegangen wurde, was er vielleicht durchgemacht hat.
Wenn man sich mit Erfurt befasst, kommt man nicht daran vorbei, das Robert Steinhäuser
widerrechtlich von der Schule verwiesen wurde, und trotz 13 Jahre Schule ohne
Schulabschluss da stand. Wenn man sich dann mit der Tat befasst, erkennt man
schnell das Muster, dass er zunächst gezielt nach Lehrern gesucht hat.
Ging es hier wirklich nur darum ein Videospielszenario nachzuahmen, oder
wollte sich da ein kranker Mensch rächen, an Menschen von denen er sich
im Stich gelassen fühlte?
Wir hatten einen Jungen, der es „zum Glück“ nur geschafft hat, sich selbst
zu richten. Bei dem man einen Abschiedsbrief fand, wo er von jahrelangem Mobbing
sprach. Was auch von interviewten Mitschülern/Bekannten bestätigt wurde.
Jetzt haben wir einen jungen Mann der sogar dabei gefilmt wurde wie er von
Mobbing sprach.
Ist das wirklich so schwer zu erkennen?
mobbing ist schlimm.
gibts nicht heutzutage schulpsychologen?
ich wäre aber vorsichtig jetzt nur einen grund in einem amoklauf zu sehen. die psyche ist komplex.
Offenbar ist für die Populisten die eigentliche Frage, warum Amokläufer einen Amoklauf als angemessene Reaktion auf ihr erfahrenes Leid sehen. Statt, wie andere Opfer, einfach still vor sich hinzuleiden oder sich halt umzubringen ohne dabei andere zu verletzen.
Wenn man das für die wichtigste Frage hält (oder so tut als ob), erscheint als Antwort nicht komplett abwegig, dass Amokläufer das aus „Killerspielen“ gelernt haben, wo man Probleme halt durch tödliche Gewalt löst.
Natürlich ist das problematisch, aus mehreren Gründen:
1. Wie angedeutet, versucht man eine Antwort auf die falsche Frage zu geben – eventuell um von grundsätzlichen Probleme abzulenken?
Selbst /wenn/ psychisch labile Menschen durch Ego-Shooter darauf konditioniert würden, Probleme mit Gewalt zu lösen, würde man mit einem Verbot am komplett falschen Ende des Problems herumdoktorn. Wie LordDef schon schrieb, sollte man die Ursachen des Problems angehen, also Mobbing durch Mitschüler/Lehrer/…, Benachteiligung durch’s System, keine/schlechte psychologische Betreuung usw. Das wiederum würde implizieren, genügend Lehrer und Schulpsychologen zu haben, sodass diese Zeit hätten, Probleme von Schülern zu erkennen und sich darum zu kümmern. Damit würde man dann vielleicht auch noch andere Probleme wie „normale“ Selbstmorde und vielleicht sogar Chancenungleichheiten im Bildungssystem lösen. Wäre aber komplexer, aufwändiger und teurer als einfach irgendwas zu verbieten bzw Verbote zu fordern.
2. Bezweifle ich stark, dass dieser Zusammenhang besteht – es gab schon immer Menschen die andere Menschen töten, auch den Versager/Außenseiter-Typus der entweder Amok läuft oder auch nach und nach einzelne Menschen ermordet bis er gefasst wird.
Beispiele: https://de.wikipedia.org/wiki/Fritz_Honka oder https://de.wikipedia.org/wiki/Kategorie:Amoklauf_in_Deutschland von denen überraschend viele an Schulen stattfanden, und etliche lange vor „Killerspielen“ (wobei man hier natürlich davon ausgehen kann, dass es nur für die „spektakulärsten“ älteren Fälle Artikel gibt und somit etliche ältere Amokläufe fehlen).
3. Braucht man nun wirklich keine „Killerspiele“ um auf die Idee zu kommen, sich gewaltsam zu rächen. Dieses Konzept war in der menschlichen Kultur schon immer verankert, von uralten Mythologien/Geschichten an bis zu Büchern, Liedern, Opern, Filmen, … der letzten Jahrhunderte.
Wenn man Kulturgüter verbieten will, die Gewalt als Lösung propagieren, muss man das gesamte kulturelle Erbe der Menschheit kastrieren.
Und natürlich sein eigenes Verhalten ändern. Wenn Politiker/Regierungen mit Gewalt (Kriegen, Drohnenangriffen, Folter, …) auf Gewalt (z.B. in Form von Terrorismus) reagieren oder auch Menschen im Mittelmeer ersaufen lassen, vermittelt das nicht die Botschaft, dass menschliches Leben viel Wert ist.
Ich stimme dir da voll zu.
Ich würde aber noch ergänzen, dass Gewalt schon immer ein Unterhaltungsfaktor für den
Menschen war. Das klingt erstmal böse klar. Gladiatorenspiele, Kampfsport (Boxen heute), Jagd. Das
Literatur/Filme das auch aufgreifen ist da glaub ich schon selbstverständlich. Ein Krimi ist nichtmal
halb so spannend wenn es, statt um einen Serienkiller um einen Serienkuchendieb geht. Actionfilme,
Horrorfilme leben vom Adrenalin das sie beim Zuschauer produzieren. Literatur bedient
sich auch der Gewalt. Wir haben wahrscheinlich alle mal Wilhelm Tell in der Schule gelesen.
Das Videospiele jetzt plötzlich eine pazifistische Vorreiterrolle haben sollen, finde ich schlicht
verlogen.
Wenn man diskutieren will, dann muss man das Phänomen -Gewalt als Unterhaltungsfaktor-
im Ganzen angehen. Nicht nur das rauspicken was einem persönlich nicht gefällt.
du def, also deine gewalt-beispiele finde ich sehr sehr unterschiedlich wenn ich tiefer gehe. ist mir jetzt zuviel zum schreiben. ich kürze ab: ich finde nur dargstellte gewaltakte interessant wenn sie intellektuell eingebettet sind. in story, moral, gewissenskonflikt, warum macht ein protagonist etwas, motivation des handelns. deine beispiele sind fast alle kunstproduktionen wo genau das zu zutrifft. btw im colusseum in rom wurden später „stories“ dazuaddiert, schlachten „nachgespielt“. der witz von american psycho liegt im erzählbruch, konträr zu 70er jahre psychologisierung, diskussionskultur, dem erklären wollen. der protagonist hier handelt einfach ohne gefühl und gewissen. boxen ist sicherlich brutal, aber ein hochleistungssport mit regeln und taktik, abgehoben von einer sinnlosen klopperei.
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noch mal zum amoklauf. also diese sachen die in den nachrichten sind, echte dinge. ich wäre da wenn sie aufpoppen vorsichtig etwas vorschnell hinein zu interpretieren. bei ungefähr 15% dieser vorgänge kommt hinterher was anderes heraus als vorher gedacht. es ist erstaunlich wieviele psychologische defizite (normabweichendes verhalten) es gibt.
Klar sind die unterschiedlich, und jeder sieht da was anderes drin. Mir geht es mehr darum, dass ich glaube
das Gewalt schon immer ein Unterhaltungsfaktor für den Menschen war, und das dieser entsprechend
auch genutzt wird, ob jetzt in Buchform oder sonst was ist mir eigentlich egal. Natürlich gibt es auch
andere Faktoren die dann hinzukommen, Boxen ist auch nicht nur einfach drauhauen bis einer liegen
bleibt. Ich halte es einfach für ganz natürlich, dass sich das Medium Videospiel auch dieses Faktors
bedient, aber sich eben auch nicht nur darauf konzentriert und auch andere Faktoren bedient wie Geschicklichkeit,
Knobeln usw. Es scheint mir einfach so das Spiele, vielleicht auch weil sie noch ein recht junges Medium sind,
anders behandelt werden und plötzlich kritikwürdiger dastehen, während anderswo garnichts mehr
hinterfragt wird.
>ich glaube das Gewalt schon immer ein Unterhaltungsfaktor für den Menschen war
punktuell vielleicht. genres sind unterschiedlich, deine beispiele sind nicht vergleichbar.
>medium videospiel benutzt gewaltdarstellung als entertainment
die gewaltdarstellung hier vermisst oft einen kontext. teilweise nur als effekt verwendet. gewaltdarstellung ohne kontext finde ich öde.
>vielleicht auch weil sie noch ein recht junges Medium sind, anders behandelt werden und plötzlich kritikwürdiger dastehen.
kann sein. videospiel ist im mainstream angekommen also auch stärker in den medien. mehr kohle als im spielfilm wird umgesetzt.
ich sehe ein auf und ab in meldungen in bezug auf videospiele bei uns seit den 80ern: gib deinem kind einen homecomputer es macht damit hausaufgaben, videospiele machen dumm, schafft jobs, macht süchtig, videospiele trainieren bestimmte fähigkeiten, das militär trainiert mit doom (lol), verschwörungstheorie der kölner erklärung das militär wolle jugendliche mit kriegsspielen anfixen (…), multiplayer ist gemeinschaft, geld wird damit gemacht, arbeitsausfall durch moorhuhn im büro, amokläufer spielen videogames, mach verrückte sachen in gta 5, wii fürs altenheim, mit vr sex erleben, aus tetris werden drei kinofilme, ein pokemon ist drüben auf dem parkplatz aber bloss nicht hingehen du wirst überfallen.
wo ist die kunst?
die anzahl von games wie monument valley, minecraft, fez, braid, rez etc. sind gering. es fehlt die kunst (themen ansprechen, botschaft). kunst muss nicht immer eine artikulierte botschaft besitzen, hauptsache sie erzeugt eine wirkung, beispiel atmosphäre, gefühl.
das videospiel bietet zuwenig anspruchsvolles. so schafft es eine angriffsfläche.
es kann sein das künstler von aussen reinkommen müssen. weil die leute im business den blick nicht für haben.
der spielfilm und die fotografie waren erst sicher vor kritikern als kunst damit gemacht wurde. und dann hats immer noch lange gedauert bis rezipienten das checkten.
trotzdem … ich bin am gameplay interessiert, gute mechanik, eine regel welt, thats it. intelligente story, charakterbeschreibungen, anspruchsvolle kunst bieten mir andere medien.
bisschen nachlese
http://www.heise.de/newsticker/meldung/Chaos-Computer-Club-Darknet-wichtig-fuer-Verfolgte-auf-der-Welt-3279152.html
http://www.eurogamer.net/articles/2016-07-28-counter-strike-go-event-pulled-from-german-tv-after-munich-attack
Vielleicht ist der Begriff Unterhaltungsfaktor falsch gewählt. Mir geht es darum das Gewalt
einfach überall vorkommt, in allen möglichen Formen. Das überall zu dulden, aber genau
bei Spielen plötzlich eine Grenze festlegen zu wollen, finde ich verkehrt und scheinheilig.
Naja, die Leute die gegen „Killerspiele“ hetzen, mögen i.A. auch keine Splatterfilme. Und vermutlich auch keine Musik die (wie Cannibal Corpse) Verstümmelungen beschreibt oder entsprechende Bilder auf Plattencovern zeigt (von Cannibal Corpse wurden mehrere Alben indiziert oder sogar beschlagnahmt).
Es ist also nicht so, als hätten einige Film- und Musikgenres nicht ähnliche Probleme, als Kunst akzeptiert zu werden (und deshalb von Zensur/Verboten ausgenommen zu sein).
ich bin gedanklich ganz woanders gelandet :D andere dinge wären viel wichtiger als über gewalt zu sprechen, was kann das videospiel, wo kann es hin.
ein deutsches problem. so dieses „wir müssen das volk vor sich selbst beschützen“. hat mit der vergangenheit zu tun. aber das 5 leute über eine indizierung entscheiden kanns ja nicht sein.
ich sag nur der film und die musik hat anspruch bewiesen, beim videospiel sehe ich ganz ehrlich die kunst weniger.
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mit kunst meinte ich nicht unterhaltungskunst, vielleicht war das missverständlich. nicht ein hollywood film oder popalbum.
hochgradige kunst mit anspruch, das wäre was komplett neues oder was viele freiheiten zulässt die genutzt werden, wie videokunst und neue musik, quasi subgenres, aber hölle wichtig meiner meinung nach. das wäre die krönung von kunst.
darunter gibts viele facetten: handwerklich gut gemacht, spiel mit klischees, unterhaltung mit message, gefühlstransport, kreativ sein im genre usw.
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splatterfilm und cc kommen für mich übers „technisch gut gemacht“ (wenn sie das sind) eigentlich nicht hinaus. im klischee erstarrt.
das heisst für mich nicht das splatterfilm, cc, keinen spass machen können (unterhalten). aber anspruch wäre für mich was anderes.
das videospiel muss künstler anziehen. immanent wichtig zum weiterkommen. das videospiel kann mit seiner interaktivität, immersion (lol), dem aktiven eingreifen und entscheiden, viel mehr als es bis dato zeigt. v
ielleicht ist das falsch. das videospiel ist gestartet als spiel für kinder (springen, schiessen, essen pacman). und manche behaupten es sei das kind von physischen spielen (kartenspiel, brettspiel, flipper). genannte waren immer nur unterhaltungsspiele, nie kunst. aber. film und fotografie brauchten als genres auch ne weile bis es die künstler anzog.
Mein Punkt ist halt, dass ich es für verkehrt halte, wenn eine selbsternannte moralische Elite
dem Rest ihre Ansichten aufdrängen will. Die Aufgabe des Staates ist es eher mich vor
anderen zu schützen und nicht evtl. vor mir selbst. Jeder hat das Recht auf seine Makel/Laster
bzw. das was andere für soetwas halten. Eine bessere Welt kann man sicher nicht
erschaffen, wenn andere dafür den Preis zahlen sollen. Tolleranz fängt auch schlicht
da an, zu akzeptieren das Menschen Spaß an etwas haben womit man selber nichts
anfangen kann. Wenn dadurch keine Gefährdung anderer (auf physischer wie psychischer Ebene)
nachweisbar ist, dann hat man halt nichts zu tun. Sicher klingt das kaltschnäuzig in
den Ohren mancher. Aber ebenso ist es ignorant zu glauben es wäre richtig etwas
zu verbieten, allein weil irgendwelche Leute entschieden haben „Wir brauchen das nicht“.